Klassifikation einstimmiger Musikuniversen

Praktische Modelle:
Ein-Ton-Signale
Alphorn-Repertoire
Kinderlieder
Gregorianischer Choral
Shakuhachi-Repertoire
Inuit-Gesänge

Man muss unterscheiden zwischen Basis-Universen (Grundgegenstandsbereichen) und möglichen Erweiterungen (Verallgemeinerungen)

Basisuniversen der Eigenschaften:

p-Subskript bezeichnet physikalische Gegenstände, m-Subskript bezeichnet mentale Gegenstände.

Physikalische Universen (Up)

Die physikalischen Universen (p-Universen) modellieren die physische Reizkette. Ihre Elemente sind physikalisch direkt messbar.

(Chromos) := Χμ(i,j,{k}); Grundmenge der Tonhöhen
i = tiefster Ton (angegeben als Ordnungsgrösse: ein Maximum)
j = höchster Ton (angegeben als Ordnungsgrösse: ein Minimum)
k = kleinstes Intervall, falls Zeitintervalle konstant Dauer haben. Universen auf Basis der Obertonreihe haben eine k-Menge mit nicht-konstanten Intervallgrössen.
{k}: k-Menge: Κ(O) = {k | k є Obertonreihep); Κ(Di) = {k | k є diatonische Leiterp), Κ(Chr) = {k | k є chromatische Leiterp), Κ(Vi) = {k | k є Vierteltonleiterp) die Menge aller k-Mengen ist prinzipiell unendlich. Die Definition der chromatischen und der diatonischen Leiter gaben einen konstruktiven Aspekt, der abhängig ist von mentalen Erfahrungen. Als Leitern sind sie jedoch kontextfrei konstruierbar.

(Chronos) := Χν(m,n); Grundmenge der Zeitquanten
m = Anzahl seriell und dicht abfolgender Quanten der Minimallänge
1 ≤ m ≤ α (α frei wählbar)
n = zulässige Quantenlängen
yp ≤ n ≤ Wp (auch möglich von 64tel ‒ oder noch kürzer ‒ bis beliebig lange)
n-Quantenlängen sind immer ganzzahlige Vielfache eines n-Minimums. Für n gibt es ein Mass. Das heisst, es sind Distanzen messbar.
Sind auch Zeitquanten-Grundmengen mit nicht konstanten m denkbar? Nein, in den p-Universen lassen sie sich auf Zeitquanten-Grundmengen mit konstanten m zurückführen (mittels Ermittelung des Intervall-GgT).

Das Verhältnis von physikalischen Chronos zu mentalen Zeit-Quanten ist sehr komplex. Mentale Zeitquanten orientieren sich an einem mentalen Taktgeber, der auf sehr komplexe Arten von den physikalischen Zeitquanten abhängig ist. Mentale Zeitquanten werden als punktartige Unterteilungen des Zeitstroms (als Puls) und nicht als Zeitlängen wahrgenommen. Ähnliches gilt für die mentale Wahrnehmung von Tonhöhen: Intervalldistanzen haben keine sinnliche Entsprechung, weshalb es nicht möglich ist, Intervallketten und Akkorde über ein Distanzmass zu definieren. Wir hören denn auch nicht primär Intervallqualitäten, sondern Stufenqualitäten eines Tones (Huron, 2006)

Ein physikalisches Basisuniversum {Χμ(i,j,k), Χν(i,j)} ist ein physikalisches Eigenschaften-Universum aus Frequenzen (f) und Zeitdauern (Δt).

Mentale Universen (Um):

Die mentalen Universen (m-Universen) modellieren den mentalen Gestaltenstrom (Qualia). Seine Elemente sind nicht physikalisch messbar.

(Scala) := SC(a,b,c); Grundmenge der Tonhöhen
a =  tiefster Ton (angegeben als Ordnungsgrösse: ein Maximum)
b = höchster Ton (angegeben als Ordnungsgrösse: ein Minimum)
c = kleinstes Intervall
c-Menge: SC(O) = {c | c є Obertonreihem); SC(Di) = {c | c є diatonische Leiterm), SC(Chr) = {c | c є chromatische Leiterm), SC(Vi) = {c | c є Vierteltonleiterm) die Menge aller c-Mengen ist durch Differenzierungsgrenzen des menschlichen Sinnesapparates begrenzt.

(Tempus) := TE(f,g); Grundmenge der Zeitquanten
f = Anzahl seriell und dicht abfolgender Quanten
1 ≤ m ≤ α (α frei wählbar)
g = zulässige Quantenlängen
ym ≤ n ≤ Wm (auch möglich von 64tel. oder noch kürzer bis beliebig lange)

g-Quantenlängen sind immer ganzzahlige Vielfache eines g-Minimums. Für g gibt es kein Mass. Es sind keine Distanzen messbar. Allerdings sind sie lokal vergleichbar (etwa beim Wechsel von bi- und ternären Mustern).

Für Eigenschaften In mentalen Universen braucht es vermutlich noch ein drittes System: Ein Bewertungssystem aufgrund von Erfahrungen (Qualia wie «quintig» oder schwere und leichte Metrumspositionen etc. hängen davon ab). Wie hängt dieses mit Um zusammen?

Nulluniversum

{Χμ(i,j,0), Χν(0,0)}, (Welche i,j,k,m,n-Werte ergeben Nulluniversen?)

Obertonreihen-Universen

Alphornrepertoire:

Χμ(i,j,k), i läuft über die Obertonreihep, Grundtonp 1 ≤ m ≤ 16. Obertonp
k nicht konstant
Χν(m,n), m beliebig, xp≤ n ≤ wp
SC(a,b,c),
i läuft über die Obertonreihem, Grundtonm 1 ≤ m ≤ 16. Obertonm
TE(f,g),
m beliebig, xm≤ n ≤ wm

Die Elemente von SC(a,b,c) haben nach der mentalen Konstitution der Reihe im Gegensatz zu ihren Gegenstücken in Χμ(i,j,k) eine Positionsqualität (der Grundton und der erste Oberton tönen «oktavig», der dritte Oberton tönt «quintig» und so weiter)

Der Vorteil der Alphornrepertoires ist, dass die Beziehung zwischen Χμ(i,j,k) und SC(a,b,c) eine einfache Eins-zu-eins-Abbildung ist.

Forschungsfrage: ist die Positionsqualität in SC(a,b,c) eine sekundäre erlernte oder ist sie angeboren? Im zweiten Fall wäre bloss die Verbindung mit der Tonleiterstufe erlernt.

Forschungsfrage: Ist die Positionsqualität abhängig vom Frequenzspektrum (Klang)? Man kann dies testen mit Sinuswellen oder mit sehr hohen Tönen, bei denen der Klanganteil gering ist.

Die Komplexität elementarer und offenbar bloss scheinbar einfacher musikalischer Strukturen wird unterschätzt. Die Frage des Verhältnisses von physikalischen und mentalen Universen ist sehr komplex und schwierig bestimmbar. Die meisten Fragen der Musikpsychologie und Musiktheorie entscheiden sich auf diesem elementaren Niveau. Sie berühren überdies die elementarsten Aspekte der Bewusstseinsbildung und Weltkonstruktion. Ihre Klärung könnte deshalb überhaupt wesentliche Fragen der Erkenntnistheorie und Bewusstseinsphilosophie klären.

Beispiel: ein kurzes Alphornstück

 

 

Takte 1 bis 8

Χμ(c‘p, d‘‘p, Obertonreihep mit Grundton C)
Χν(48,
ep≤ n ≤ h.p)
SC(c‘m, d‘‘m, Obertonreihem mit Grundton C)
TE(48,
em≤ n ≤ h.m)

 

Χμ-Element 1-st.-Χμ-Eigenschaften   Korresp. SC-Element SC-Eigenschaften
  Freq. Beginn Dauer     Beginn Dauer Pos.-qualität
1 c‘ 0 4   c‘ 1 4 oktavig
2 e‘ 4 2   e‘ 5 2 terzig
3 g‘ 6 4   g‘ 7 4 quintig
4 e‘ 10 2   e‘ 11 2 terzig
5 c‘ 12 2   c‘ 13 2 oktavig
6 e‘ 14 2   e‘ 15 2 terzig
7 g‘ 16 2   g‘ 17 2 quintig
8 c‘‘ 18 6   c‘‘ 19 6 oktavig
9 d‘‘ 24 4   d‘‘ 25 4 nonig
10 g‘ 28 2   g‘ 29 2 quintig
11 g‘ 30 4   g‘ 31 4 quintig
12 d‘‘ 34 2   d‘‘ 35 2 nonig
13 c‘‘ 36 4   c‘‘ 37 4 oktavig
14 e‘ 40 2   e‘ 41 2 terzig
15 g‘ 42 6   g‘ 43 6 quintig

Beispiel: Alle physikalischen Eigenschaften des Elementes 7

Χμ-Element

7
1-st.-Χμ-Eigenschaften

 

Damit ist das Χμ-Element eindeutig bestimmt {wir wissen alles über das physikalische Element (?)}

 

 

Frequenz

 

391,995 Hz

 

Beginn

0 ≤ t є N ≤ 48

 

 

t=16

 

Dauer

MM Viertel = 60

 

 

1 s

2-st.-Χμ-Eigenschaften  

Relative Höhe: Verhältnis zur Frequenz der andern Χμ-Elemente

 

 

 

Mit diesen Eigenschaften ist das Universum vollständig definiert (hinreichende Bedingung, es genügen unter Umständen schon weniger Eigenschaften):

Die vollständigen Eigenschaften eines Elements sind ein Hologramm des Universums

 

Relative Zeit: Distanz zu
andern Χμ-Elementen

 

 

 

Relative Dauer: Dauernverhältnis zu
andern Χμ-Elementen

 

 

 

Kann man primäre (konstitutive) und sekundäre (aus primären ableitbare) Eigenschaften unterscheiden?  In {Χμ(i,j,k), Χν(i,j)} lassen sich diese abstrakt bestimmen (konstitutive wie Axiome eventuell auch frei nach einem bestimmten Zweck wählen). In {SC(a,b,c), TE(f,g)} ist das Verhältnis komplexer, weil ein mentales Universum eben auch mental konstituiert wird. Der Prozess der Konstitution ist das eigentlich Entscheidende.

 

Fragen:
– Alle Eigenschaften (Prädikate) eines Objektes in einem physikalischen Universum Up müssen physikalisch messbar sein.
– Kann man unterschieden zwischen einstelligen Prädikaten (Startpunkt, Länge, Tonhöhe, evt. Timbre), zweistelligen (Verhältnis zu allen andern Objekten in Up)?
– gibt es in Up nur Töne, auf die höchstens zweistellige Prädikate zutreffen (oder solche die in zweistellige Prädikate zerlegbar sind)?
Ein Up ist vermutlich schon eine Abstraktion, weil die Segmentierung des Audiostroms in Einzeltöne  bereits vorausgesetzt wird. Was bedeutet das für die Modellierung?