Rameaus grosses Verdienst ist es, dass er die Anzahl möglicher Grundelemente der Musik drastisch reduziert. Er tut dies, indem er viele bis zu seiner Zeit als unterschiedlich angesehene Akkorde auf andere zurückführt: Er erkennt, dass man die Aufschichtung einer Terz und einer Quart als eine andere Form einer Aufschichtung zweier Terzen ansehen kann, nämlich als deren Umkehrung. Drei Formen von Akkorden kann er so auf eine einzige reduzieren, die jeweils eine Funktion übernimmt: Zur Grundstellung kommen die Umkehrungen Sextakkord und Quartsextakkord. Sie bilden eine wohldefinierte, endliche und überblickbare Menge an Grundelementen.
Rameau entwirft auch ein Regelwerk der musikalischen Grammatik. Vereinfacht gesagt: Akkorde dürfen nicht so zusammengefügt werden, dass zwischen ihren Konstituenten Oktav- oder Quintparallelen entstehen. Quartsextakkorde dürfen nicht «aufgelöst» werden, das heisst, sie müssen in einen Akkord in Grundstellung übergeführt werden, dessen Grundton dem tiefsten Ton des Quartsextakkordes entspricht, und so weiter. Es gibt darüber hinaus Regeln wie, dass der Schluss einer Komposition aus der Folge eines Akkordes und eines eine Quart höher angesiedelten Akkordes (einer Kadenz) bestehen muss, oder dass auf Septimenakkorde bestimmte andere Akkorde folgen müssen.
Die Grammatikmetapher kann weitergeführt werden: Akkord-Grundstellungen lassen sich als eine Art Wortgrundformen auffassen und ihre Umstellungen als Konjugationen oder Deklinationen, V-I-Kadenzen als «Punkte» am Ende eines «Satzes». Wesentlich weiter sollte man allerdings nicht gehen, denn man muss nicht beweisen, dass es eine musikalische Grammatik gibt, oder eine solche sogar scharf definieren. Ein solches Unternehmen führt früher oder später bloss in Schwierigkeiten, die einerseits darin liegen, dass die wesentlichen Elemente nicht genau definiert sind, andererseits an der Tatsache kranken, dass in der Musik die entscheidenden Regeln nicht absolut verbindlich oder scharf festgelegt werden können.